Die Wurstfabrik Müller

Als erstes Beispiel für die "frühe" Industrialisierung ist hier die 1847 von Christoph Müller II gegründete "Wurstfabrik Müller" zu nennen. Hier wurden zum ersten Mal in industriellen Maß die bekannten "Frankfurter Würstchen" hergestellt. Um 1895 arbeiteten dort 40 Metzgergesellen und schlachteten wöchentlich ca. 100 Schweine. Die Jahresproduktion betrug über 6 Millionen Würstchen. Die repräsentative Fabrikantenvilla der Familie Müller (Hauptstraße 38) in Sprendlingen ist nach ihrer Renovierung heute ein Schmuckstück für die Innenstadt. Aufgrund der Konkurrenzsituation wurde die Geschäftstätigkeit in den 1930er Jahren eingestellt. Es gibt zwischen Sprendlingen und Neu-Isenburg eine Auseinandersetzung, wo die Frankfurter Würstchen zum ersten Mal industriell hergestellt wurden. Die Forschungsergebnisse vom Hans Ludwig Schäfer sind eindeutig: Natürlich in Sprendlingen. 

 

       Belegschaft ca.1887        Heinrich Müller ca. 1883    Belegschaft ca. 1922


 

Die Wurstfabrik Müller
von Hans Ludwig Schäfer

Seit vielen Jahren gibt es zwischen Sprendlingen und Neu-Isenburg einen Streit, wer die
Frankfurter Würstchen erfunden hat und wo dies geschah. „Die Frankfurter Würstchen
wurden vom Heinrich Müller in Sprendlingen erfunden.“ Diese Behauptung geistert seit
Jahrzehnten durch Dreieich-Sprendlingen und in Neu-Isenburg gilt sie in der abgewandelten
Form für Georg Adam Müller. Aber was an diesen Aussagen ist wahr?

Sprendlingen oder Neu-Isenburg als Erfindungsort

Die „Frankfurter Würstchen“ können weder in Sprendlingen noch in Neu-Isenburg erfunden
worden sein, denn wie kämen sie sonst auf die Fresken, die der Maler Jörg Ratgeb 1517 im
Refektorium des Karmeliter-Klosters in Frankfurt an die Wand malte. Angeblich gehen die
Würstchen also bereits zurück bis in das 15. Jahrhundert.

Aber, was sind eigentlich „Frankfurter Würstchen“? Eine ältere Bezeichnung erklärt dies. Im
‚Frankfurter Wörterbuch‘ (hrsg. von Wolfgang Brückner) steht, dass die Vorläufer
geräucherte, feine lange Bratwürste gewesen sind. Diese Wurstart taucht auch auf als
„Frankfurter Bratwurst“ oder „dürre Bratwurst“ (‚derr Bratworscht‘). Ein Leserbrief an den
Frankfurter Generalanzeiger aus dem Jahr 1942 gibt dazu mehr Einzelheiten. Der Autor,
Paul Prior, schreibt: „Eine Eigentümlichkeit der Frankfurter Bratwurst ist es von je her, dass
ihr Inhalt fein gehackt ist, gegenüber der grob gehackten Materie, die anderwärts üblich ist.
Diese typische „Frankfurter Bratwurst“ wurde in der kalten Jahreszeit geräuchert und durch
sieden gar gemacht. Trotzdem hat diese geräucherte Wurst lange noch den Namen „dürre
Bratwurst“ oder „geräucherte Bratwurst“ geführt, obwohl es niemand mehr einfiel, sie in
diesem Zustand zu braten.“

Dieses Produkt hat in dieser Form als alte Frankfurter Spezialität zu gelten. Die Wurst wurde
auch, je nach seiner individuellen Rezeptur, von jedem Frankfurter Metzger hergestellt.
Allerdings war die Herstellung beschränkt auf die kalte Jahreszeit. Im 19. Jahrhundert galt
die Regel, dass die Wurst nicht vor dem 18. Oktober eines Jahres, i.e. der Gedenktag der
Völkerschlacht bei Leipzig, und nur bis Ostern hergestellt wird. Die Metzger in Frankfurt
hatten aber noch ein weiteres Handicap. Denn nach der Handwerksordnung von 1831 durfte
ein Metzger pro Woche nur 7 Schweine schlachten. Wenn man bedenkt, dass ja auch
Braten, Kotelett und alles was das Schwein sonst noch bietet, verkauft worden ist, dann war
da nicht mehr viel übrig für die Wursterzeugung. Die Beschränkung der Zahl der
Schlachttiere wurde erst durch die Schweinemetzgerordnung von 1844 gelockert. Ganz
verschwand sie aber erst mit der Einführung der Gewerbefreiheit am 01. Mai 1864. Bis zum
Jahr 1859 konnten Fleischprodukte außerdem nur an den vorgesehenen Stellen, den
„Schirnen“ im Metzgerviertel in der Altstadt, produziert und verkauft werden. Fleisch und
Wurst gab es daher damals in Frankfurt nur im „Worschtquartier“. Erst in diesem Jahr 1859
erhielt der Frankfurter Metzger Balthasar Hartmann die Genehmigung, seine Produkte
außerhalb dieses Gebietes der Altstadt zu produzieren. Es gab einige Metzger, die sich auf
die „Frankfurter Bratwurst“ spezialisiert hatten und ihr Produkt sogar versendeten. Aber dies
alles geschah in überschaubaren Mengen.

Der Sprendlinger Metzger-Meister Christoph Müller II. aus der Familie der Sprendlinger
„Schwoonewerte“ kam nun auf die Idee die beliebten „Frankfurter Würstchen“, die dürren
Bratwürstchen, fabrikmäßig zu erzeugen und gründete 1847 sein Unternehmen. Da
Christoph Müller aber eine Großproduktion begann, die sich auf ein ganz spezielles Produkt
beschränkte, war es für ihn wohl selbstverständlich, dass er alles Fleisch von seinem
Ausgangsprodukt, dem Schwein, in seiner Fertigung verwendete. Das wiederum unterschied
sein Produkt von dem seiner Frankfurter Kollegen. Und mit diesem Qualitätsunterschied
machte Christoph Müller auch Werbung. Auf seinem Einwickelpapier verkündete er die
Botschaft, dass in seiner Wurst sämtliche Schinken mitverarbeitet werden und dass
ausschließlich Schweinefleisch ohne Hinzufügung von anderen Fleischsorten verarbeitet
wird. Während also die Frankfurter Kollegen die Schinken und Bratenteile separat verkauften

Das Einwickelpapier:
Einwickelpapier

und die fehlende Masse z.B. durch Rindfleisch ergänzten, ihr Fleisch also streckten,
verwendete Müller ausschließlich das Fleisch vom Schwein und zwar alles. Das machte
seine Würstchen eben so einzigartig. Die Qualität seines Produktes zeigte sich natürlich
auch darin, dass er viele Metzgereibetriebe in Frankfurt mit seinen Würstchen belieferte.

Heinrich Müller als Erfinder der Frankfurter Würstchen

Immer wieder wird Heinrich Müller als der Erfinder bezeichnet. Wie oben gezeigt gab es die
Wurst bereits im Mittelalter. Der Grund warum der Name Heinrich Müller im Vordergrund
steht und nicht der Name seines Vaters Christoph Müller II, der die Fabrik im Jahre 1847
gegründet hat und in der sein Sohn Heinrich den Beruf erlernte, liegt vermutlich darin, dass
das Unternehmen, das Sohn Heinrich 1879 übernahm, erst in den 80er und 90er Jahren des
19. Jahrhunderts seine Blüte erlebte. Heinrich Müller gab seinen Würstchen den
Markennamen „H.M.“ nach seinen Initialen. Auf dem Etikett seiner Dosen prangte in der
Mitte der Frankfurter Adler und links davon war ein Großes H in gotischer Schrift, sowie
rechts davon ein Großes M in gotischer Schrift (vgl. Skizze des Einwickelpapiers oben).

In vielen Veröffentlichungen, vor allem aus dem Bereich Neu-Isenburg, wird immer wieder
darauf hingewiesen, dass als Begründer der Neu-Isenburger „Frankfurter Würstchen“
Tradition, die 1860 gegründete Fabrik und Firma von G.A. Müller gilt. Ein Blick in den
Müller’schen Stammbaum aus Sprendlingen gibt dazu jede Menge Aufschluss.

Stammbaum

Der Gründer der Sprendlinger Wurstfabrik war Christoph Müller II. Bei ihm lernte sein Sohn
Heinrich das Metzgerhandwerk. Georg Adam Müller hat sein Handwerk bei dem Frankfurter
Metzger Louis Beyerle gelernt. Beyerle gehörte zu den Frankfurter Metzgern, die sich ab
1859 außerhalb der Altstadt niedergelassen hatten und sich auf „Frankfurter Würstchen“
spezialisiert hatten. Nach einem Aufenthalt in den USA gründete G.A. Müller dann im Jahr
1860 sein Unternehmen in Neu-Isenburg.

Die Firma „Heinrich Müller – Wurst- u. Conserven-Fabrik“ in Sprendlingen hatte den Zusatz
„gegründet 1847“. Die Gründung war durch Christoph Müller II. erfolgt, der das Unternehmen
1879 seinem Sohn Heinrich Müller II. übergab. Unter Heinrich Müller erfolgte der Ausbau des
Unternehmens. Zuerst ging er eine Gesellschaft ein mit Heinrich Stroh und änderte den
Namen des Unternehmens in „Stroh & Müller“. Das Unternehmen richtete in Frankfurt am
Kleinen Kornmarkt eine Filiale ein. Im Jahr 1882 wurde dann das neue große Geschäftshaus
in der Hauptstraße Nr. 36 in Sprendlingen gebaut. Im selben Jahr erfolgte auch eine
Erneuerung der Schirne an der Fünfhäusergasse in Sprendlingen.

Mitte der 80er Jahre wurden die Würstchen erstmals in Dosen konserviert. Das brachte
durch die längere Haltbarkeit auch die Möglichkeit der Ausweitung des Exports auf ferne
Ziele. Die Folge war eine Vergrößerung der Fabrik. Aber auch der technische Fortschritt
wurde genutzt. So installierte man als Kraftquelle einen Benzinmotor. Im Jahr 1888 starb der
Teilhaber Heinrich Stroh. Seine Witwe führte zunächst den Einzelhandelsbetrieb in Frankfurt
weiter, schied dann aber zwei Jahre später 1890 aus der Gesellschaft aus, so dass Heinrich
Müller Alleininhaber wurde.

1893 wurde von den Isenburger Fürsten deren ehemalige Kellerei in der Hauptstraße 36
angekauft und die Fabrik erweitert. Heinrich Müller expandierte weiter und ersetzte den
Benzinmotor 1894 durch eine Dampfmaschine mit 13 PS. Die Sprendlinger Volkszeitung
meldete 1898, dass zwischen 01. September 1895 und Ende Mai 1896 6.250.000
Frankfurter Würstchen hergestellt worden seien. Über 4.000 Schweine wurden in dieser Zeit
von 35 Gesellen und Arbeitern verarbeitet. Leider starb Heinrich Müller II. im Jahr 1896.
Vorerst übernahm seine Witwe die Geschäftsführung. Erst im Jahr 1901 folgte der Sohn
Christoph Müller III. dem Vater in die Geschäftsleitung nach und führte den Betrieb bis zu
seiner Stilllegung zu Beginn der 30er Jahr. Auch sein Bestreben war die ständige
Verbesserung und Erweiterung des Unternehmens. 1901 ließ er ein neues Dampfkesselhaus
bauen und ersetzte er die Dampfmaschine durch ein 30 PS Modell. Zur besseren
Verarbeitung des Fleisches schaffte er Blitzschneidemaschinen an.

Auszeichnungen und Absatzgebiete

Dem Unternehmen wurden auf verschiedenen Ausstellungen höchste Auszeichnungen für
seine Produkte verliehen. So erhielt die Firma auf der „Kochkunst-Ausstellung für
Volksernährung und Armeeverpflegung“ in Frankfurt 1894 höchste Prämierungen. Die
Würstchen wurden ebenso auf Ausstellungen in Bremen und Darmstadt ausgezeichnet. Das
Unternehmen bezeichnete sich auch als Hoflieferanten, weil der Großherzogliche Haushalt
in Darmstadt beliefert wurde. Und Heinrich Müller war stolz darauf, die Armee des
Deutschen Reiches mit seinen Produkten versorgen zu dürfen. Durch die Konservierung der
Ware und der Verpackung in Dosen war es auch möglich, den Export auf alle Erdteile
ausweiten zu können. Beliebt waren die Würstchen vor allem bei den transatlantischen
Schifffahrtslinien und später der Zeppelinreederei. Jede Eisenbahnwirtschaft in Deutschen
Reich hatte Frankfurter Würstchen in seinem Angebot.

Die Konkurrenz

Bereits oben ist als Konkurrenzbetrieb die Firma „G.A. Müller“ in Neu-Isenburg genannt, der
Bruder des Sprendlinger Firmengründers Christoph Müller II. Dieser Georg Adam Müller war
verheiratet mit einer Elisabethe Luft aus Neu-Isenburg. So ist es nicht verwunderlich, dass
ab 1883 auch eine Firma Wilhelm Luft, der Bruder der Elisabethe, als Fabrikant von
Frankfurter Würstchen auftaucht. In einem Schreiben an die Handelskammer Frankfurt vom
09. Juli 1913, bei dem es um die Belange der außerhalb Frankfurts liegenden Produzenten
der Würstchen ging, heißt es auf Seite 2: „Die Firma Heinrich Müller in Sprendlingen
fabriziert schon seit dem Gründungsjahr 1847 Frankfurter Würste, die Firma G.A. Müller in
Neu-Isenburg seit 1860, die Firma Wilhelm Luft in Neu-Isenburg seit 1883 und die Firma
Türk & Pabst Frankfurt a/M hat den Alleinvertrieb der Fabrikate der letztgenannten Firma seit
1888.“ Dazu kamen aber noch viele weitere Anbieter in der näheren und auch ferneren
Umgebung von Frankfurt. An einer anderen Stelle, im Zusammenhang mit dem
Würstchenkrieg mit den USA, steht in einer Expertise: „…, so befinden sich eine ganze
Anzahl z.T. bedeutender Fabriken dieses Spezialartikels nicht in Frankfurt selbst sondern in
der näheren Umgebung, wie also Isenburg, Offenbach, Groß-Zimmern, Sprendlingen und
Langen und die Firma Müller in Sprendlingen ist u. Wissens die älteste Fabrik für diesen
Artikel.“

Emerich Reeck schreibt in einem Artikel in der Beilage für die „Neue Fleischer – Zeitung“ mit
dem Titel „Frankfurter Würstchen:

„… Bis zum ersten Weltkrieg hatte sich Neu-Isenburg mehr und mehr zum
Hauptherstellungsort der Frankfurter Würstchen entwickelt. Selbst in den etwas südlicher
gelegenen Orten Sprendlingen, Langen und Groß Zimmern hatten einige Metzgereien die
Erzeugung von Würstchen aufgenommen. Die Sprendlinger Häuser - es waren dies
Farrenkamm und Stroh & Müller – konnten sich jedoch nicht halten. In Frankfurt selbst
verschoben sich gleichfalls die Verhältnisse. Die alten Geschäfte gingen ein oder in anderen
Besitz über. Zum Beispiel wurde C.G. Hartmann 1902 von der Fleischkonservenfabrik Röbig
& Funk, die bereits seit 1898 Würstchen vertrieben hatte, übernommen und 1912 von ihr an
die Heinrich Bauer GmbH weiterverkauft, welche im Jahr darauf, 1913, erlosch.

Nach 1866 waren eine ganze Reihe neuer Würstchenfabriken in Frankfurt entstanden, deren
Erzeugnisse alsbald Anklang und größeren Absatz fanden. Die namhaften unter ihnen sind
bzw. waren: Friedrich Emmerich, Georg Eichmann, Viktor Eisenbarth, Adolf Jung, Friedrich
Köhler, Ludwig Müllerleile. In Neu-Isenburg hatte sich zu den beiden bestehenden noch die
Wurstfabrik von Hans Wirth gesellt, in Sprendlingen war ein neuer Betrieb von Heinrich
Müller gegründet worden. Heute sind die alleinigen Hersteller die Großbetriebe in Frankfurt
und Neu-Isenburg.“ ….

So kam es, dass man am 04. September 1906 eine Gesellschaft gründete, die die
Interessen aller Produzenten von Frankfurter Würstchen vertrat. Dieser Organisation
gehörten natürlich auch die Wurst-Fabrikanten und Händler von Neu-Isenburg,
Sprendlingen, Langen, Groß-Zimmern usw. an. In einem Gesellschaftsvertrag (vom
4.September 1906) in dessen § 2 als Zweck der Gesellschaft angegeben ist „die Fabrication,
den Vertrieb, die Verkaufsbedingungen usw. der echten Frankfurter Würstchen zu regeln.“
Diese Organisation löste sich aber noch vor 1910 wieder auf.

Der „Würstchenkrieg“

1911 gab es plötzlich Probleme bei der Einfuhr der Würstchen in die USA. Dort war das
„Pure Food Law“ herausgekommen. Das Gesetz verlangte, dass bei einer
Herkunftsbezeichnung im Namen eines Produktes, die Ware auch ausschließlich in dem
genannten Ort produziert worden sein musste. „Frankfurter Würstchen“ oder „Frankfort
sausages“ durften also ausschließlich aus Frankfurt sein. Da aber „Frankfurter Würstchen“
ihren Produktionsstandort häufig in den Gemeinden des Frankfurter Umlandes hatten,
verlangte man für diese eine andere Etikettierung. Nach dem „Pure Food Law“ musste die
Bezeichnung auf diesen Dosen geändert werden von ‚Frankfort Sausages‘ in ‚Frankfort Style
Sausages‘. Nur in der Stadt Frankfurt hergestellte Produkte durften „Frankfort Sausages“
heißen. Die ‚Würstchen nach Frankfurter Art‘ waren aber nicht im Sinne der produzierenden
Unternehmen. Es folgte ein Kleinkrieg mit den amerikanischen Einfuhrbehörden und es kam
zu einem jahrelangen juristischen Streit mit langen Expertisen. Man einigte sich dann auf
folgende Formel, die in einer Expertise zu den Würstchen angeführt worden war:
„Frankfurter Würstchen sind seit Menschengedenken ein Gattungsbegriff für vorzugsweise in
Frankfurt und dessen näherer Umgebung hergestellte Ware.“ Und der Frankfurter
Generalanzeiger Nr. 277 vom 26.11.1913 schrieb in einem Artikel: „die Handelskammer und
die ‚echten Frankfurter‘“: „… hat die Handelskammer dem Minister für Handel und Gewerbe
am 17. Juli des Jahres mitgeteilt, daß nach ihrer Ansicht die Bezeichnung ‚Frankfurter
Würstchen‘ als Herkunftsangabe im strengen Sinne aufzufassen ist, daß jedoch einzelnen
bestimmten bezeichneten Fabrikanten in den benachbarten hessischen Orten, die ihre
Fabrikation nachweislich seit Jahrzehnten unter der Bezeichnung ‚Frankfurter Würstchen‘
unbeanstandet in den Handel bringen, dieses Recht auch weiter erhalten bleiben muß.“

Es folgte sogar ein Gerichtsurteil des Königlichen Oberlandesgerichtes in Celle
Geschäftsnummer 6U335/13 von 1913. Das Gericht hat in einem Prozess der
Nahrungsmittelfabrik H.W. Appel/Hannover gegen Heinrich Bauer Wurstfabrik GmbH in
Frankfurt entschieden, dass die Bezeichnung ‚Frankfurter Würstchen‘ ein Gattungsbegriff
geworden ist.

Im Übrigen waren außer den „Frankfurter Würstchen“ von diesem neuen amerikanischen
Gesetz auch noch andere Produkte betroffen. So z.B. die „Braunschweiger Wurst“, die auch
nicht ausschließlich in der Stadt Braunschweig produziert wurde sondern auch in deren
Umland.

Bei diesem Streit ging es prinzipiell darum, dass man den Produzenten von Frankfurter
Würstchen aus dem Frankfurter Umland die Absatzchancen in den USA rettete. Bei dem
Streit eine Dekade später, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, ging es um die
Interessenkonflikte zwischen den Herstellern der „Würstchen“ mit Sitz in der Stadt Frankfurt
und denen vor den Toren Frankfurts. Die im Stadtgebiet Frankfurts heimischen Unternehmen
warfen den im Umland beheimateten Firmen vor, dass sie zu wesentlich günstigeren Kosten
produzieren konnten. Daher verlangte man, dass die Bezeichnung „Frankfurter Würstchen“
ausschließlich den Unternehmen vorbehalten bleiben sollte, die innerhalb der Stadt ansässig
waren. Dieser Streit endete vor Gericht und der 10. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin
kam in seinem Urteil vom 28. Sep. 1929 über den Rechtsstreit in der Herkunftsbezeichnung
zu der folgenden Entscheidung: Den Namen „Frankfurter Würstchen“ dürfen nur Erzeugnisse
tragen, die im Frankfurter Wirtschaftsgebiet produziert wurden. Damit waren die Orte im
Frankfurter Umland explizit einbezogen in das Herstellungsgebiet.

Frankfurter contra Wiener

Der am 13. August 1772 geborene Metzger Johann Georg Lahner, der aus dem Fränkischen
stammte, hatte seine Lehre bei einem Frankfurter Metzger beendet und ging 1798 auf
Wanderschaft. In Wien ließ er sich nieder und arbeitete zuerst als „Aufhackerknecht „ bei
einem Fleischhauer. 1804 kaufte er sich mit seinem Gesparten und einem Darlehen von 300
Gulden eine kleine Fleischselcherei. 1805 stellte er dort zum ersten Mal seine Würstchen her
und nannte sie in dankbarer Erinnerung an die Stadt, in der er das Handwerk erlernt hatte
„Frankfurter Würstl“. Da die Wurstsorte in ihrer Feinmischung und Form in Wien bisher
unbekannt war, fand sie bald sehr großen Zuspruch bei den Kunden. Bald wurden die
Würstchen auch in die Umgebung Wiens geliefert. Dort erhielten sie, weil sie aus Wien
kamen, den Namen „Wiener Würstl“. Vom Rezept her sind sie nicht ganz identisch mit
unseren „Frankfurter Würstchen“. Frankfurter sollten ausschließlich Schweinefleisch
beinhalten, während die Wiener auch Rind enthalten darf. Die Würstchen galten aber bald
als Wiener Spezialität. So erhielten sie außerhalb Wiens den Namen „Wiener Würstchen“,
nur in Wien heißen sie heute immer noch „Frankfurter Würstl“.

Fazit: Das uralte Produkt „Frankfurter Würstchen“ wurde zum ersten Mal fabrikmäßig
von Christoph Müller II. 1847 in Sprendlingen produziert.

Literatur:
Deutsche Wurstfabrikanten-Zeitung vom 06.06.1901
Heil, Jakob; Sprendlingen, Sprendlingen 1974
Müller-Urban, Kristiane und Baerenz Horst; Frankfurter Würstchen, Frankfurt am Main 2005
Runkel, Heinrich; Erinnerungen an Sprendlingen, Dreieich 1996
Störmer, Gerhard; Das Sprendlinger Buch, Neu-Isenburg 2008

Andere Quellen:
Materialien aus dem Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt am Main und aus dem
Stadtarchiv Dreieich
Knöß, Heinrich, Sprendlinger Familienbuch, unveröffentlichtes Manuskript in Arbeit, Dreieich,
(o.J.)

Autor:
Hans Ludwig Schäfer
Ehrenamtlicher Mitarbeiter im Stadtarchiv Dreieich
Paul-Ehrlich-Str. 46
63225 Langen
Tel: 06103/73403
eMail: lutzschaefer@t-online.de