Kriminalfälle

Der Totschlag in der Rostatt-Schänke

 

In diesem Fall aus dem Jahr 1956 geht es um einen Mann, der wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht stand. Er besuchte mit seiner Frau den Stiefbruder seiner Frau. Nachmittags gingen sie in die Gastwirtschaft "Zur Rostatt", um zu feiern. Dort kam es zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte den Wirt Walter Salomon mit einem Besen schlug. Der Wirt erlitt schwere Verletzungen und starb später im Krankenhaus an einer Hirnhautentzündung. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu einer Gefängnisstrafe. Strafmildernd wirkte sich eine Augenverletzung des Angeklagten aus einem früheren Betriebsunfall aus. Der Stiefbruder des Angeklagten hatte die Auseinandersetzung angefangen. Der Angeklagte hatte den Wirt mit einem Besen geschlagen, den er der Mutter des Wirtes entrissen hatte. Der Angeklagte behauptete, sich bedroht gefühlt zu haben, aber das Gericht schenkte dieser Darstellung keinen Glauben. Der Staatsanwalt forderte eine höhere Strafe, aber das Gericht kam dem Angeklagten weitgehend entgegen. Er wurde zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilt.

 

Lesen Sie --> hier einen ausführlichen Bericht aus dem Sprendlinger Stadtanzeiger vom 19.03.1957.


Hallo Peter, oben ist die Kurzform, die zu den andern Beschreibungen der Kriminalfälle passen würde. Anstelle einer PDF Datei könnte auch eine spezifische Unterseite Aufgerufen werden, in der der Zeitungstext integriert ist (mit deinen Anmerkungen).


 

Der Totschlag in der Rostatt-Schänke: Walter Salomons Tod mit Gefängnis gesühnt

Sprendlinger Stadtanzeiger vom 19. März 1957

 

Seiner bisher untadeligen Lebensführung hatte es der 40jährige Melker Friedrich Grönke aus Odershausen, Kreis Waldeck, in der Hauptsache zu verdanken, dass er vor dem Schwurgericht Darmstadt unter Vorsitz von Landgerichtsdirektor Keller nach fast 15stündiger Verhandlung mit dem Leben davonkam. Das Gericht verhängte am Freitag nur ein Jahr und neun Monate Gefängnis wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge gegen den Angeklagten und die Übernahme der Verfahrenskosten.

 

Strafmildernd wertete das Gericht ferner eine schwere Augenverletzung, die sich der Angeklagte vor Jahren bei einem Betriebsunfall zuzog. Reizzustände, vor allem nach Alkoholgenuss, bewirken bei Grönke nach dem medizinischen Gutachter festgestellt worden war, zuweilen Affekthandlungen. Der § 51, Absatz 2, wurde ihm daher zuerkannt.

 

Der eigentliche „böse Geist“ des unglücklichen Ereignisses um Walter Salomon am 7. Januar vergangenen Jahres war nach Ansicht des Staatsanwaltes und des Gerichtes Grönkes Stiefbruder Karl Erk, dessen wüste Krakeelerei den Streit auf die Spitze trieb. Den Todesschlag auf den Hinterkopf des 32jährigen Gastwirtes Salomon vollführte allerdings Grönke aus unerklärlichen Gründen. Seiner Darstellung, er habe sich von Salomon, der mit dem Besen auf ihn einschlagen wollte, bedroht gefühlt, schenkte das Gericht keinen Glauben. Die Angaben der zahlreichen Zeugen gingen vielmehr darauf hinaus, dass Grönke in einem seiner plötzlichen Anfälle den Besen der Mutter des Verstorbenen, Frau Salomon, entriss und mit voller Wucht auf den sich abwendenden und wehrlosen jungen Gastwirt einhaute.

 

Der Anlass an diesem tragikumwitterten Samstagabend war denkbar harmlos. Friedrich Grönke besuchte mit seiner Frau Bruder Karl Erk. Man freute sich über die unverhoffte Zusammenkunft und trank darauf einige Flaschen Bier.

 

Am Spätnachmittag ging man in die Wirtschaft von Walter Salomon, um ein bisschen zu feiern. Karl Erk, Maurer von Beruf, hatte zudem die Absicht, die neu ausgebauten Gasträume, an deren Renovierung er mitgeholfen hatte, zu zeigen. Es wurde weitergetrunken. Die Frauen verließen vorübergehend die fröhliche Runde und kehrten, nachdem sie die Kinder zu Bett gebracht hatten, zurück. Etwas später erschienen weitere Gäste. Die Stimmung war gut. An einem Tisch hatte ein 14jähriges schulpflichtige Kind verspürte Lust zu einem Tänzchen. Seine Aufforderung wurde aber nicht erhört. Die Mutter des Mädchens lachte. An einem Tisch hatte ein 14jähriges Mädchen mit seinen Eltern Platz genommen. Grönke entfernte sich wieder, hielt aber jäh inne, als er Gelächter an dem Tisch der Familie vernahm. Im Glauben, man habe ihn verspottet, ging er auf den lautesten Lacher, der neben dem Mädchen saß, zu und versetzte ihm einen heftigen Schlag ins Gesicht, dass dieser, ein achtzehnjähriger Bursche, taumelte und vom Stuhl zu fallen drohte. Der junge Mann fing sich und schlug seinerseits auf den Angeklagten ein. Bruder Erk eilte zu Hilfe. Vorher hörte er von der Theke her eine Äußerung, die ihn bereits wütend gemacht hatte: „Kein Wunder, auch ein Erk!". Karl half nach besten Kräften, so dass sich der Gastwirt Salomon veranlasst sah, die ganze prügelnde Gesellschaft mit den Worten: „In meiner Wirtschaft dulde ich keine Schlägerei, macht Euch raus!" vor die Tür zu bugsieren. Es gelang ihm. Dabei wurde von Erk die gläserne Gasthaustür in Scherben geschlagen. Draußen ging das „Kampfgetümmel“ verbissen weiter. Karl Erk wurde heftig zugesetzt, andererseits kniete Grönke auf dem unter ihm liegenden Salomon und teilte Faustschläge aus. Der allgemeine Tumult ließ nach, als Erk brüllte: „Wenn ich ein Messer hätte, würde ich Euch (Salomons) kaputtstechen!" Er war aber bereit, für die zerschlagene Glastür Ersatz zu leisten. Schließlich rief der junge Salomon nach seiner Mutter, die an diesem Abend bediente, mit dem Wunsch, sie solle die Scherben zusammenkehren. Frau Salomon leistete der Aufforderung sogleich Folge. Vorher hatte sie schon einmal mit dem Ruf: „Kommt alle raus, die schlagen meinen Sohn tot!" die ganze Wirtschaft mobilisiert. Sie kehrte danach die Reste auf, wie von ihrem Sohn befohlen und stand dann vor der Tür. Links hielt sie den Besen in der Hand, mit der rechten Hand war sie bemüht, ihren erregten Sohn zu beruhigen. Ein anderer Gast tat das Gleiche mit Grönke. Wie von der Tarantel gestochen, erfasste jedoch dieser den Besen und brachte von hinten dem Wirt den folgenschweren Schlag bei. Salomon stürzte dumpf zu Boden, verlor für Minuten die Besinnung und wurde in die Küche getragen, wo seine Frau sich um die Kinder kümmerte. Der herbeigerufene Arzt stellte zunächst Gehirnerschütterung fest das heftige Erbrechen des Verletzten ließ darauf schließen und vermutete auch Schädelbruch, obwohl keine Kennzeichen dafür vorhanden waren. Im Kreiskrankenhaus Langen stellte sich die ersten Tage nichts Nachteiliges ein. Das Befinden Salomons deutete auf baldige Genesung hin. Am dritten Tag aber verschlimmerte sich unerwartet sein Zustand. Die Überführung in die neurochirurgische Klinik Frankfurt wurde notwendig. Zwei sofort eingeleitete Operationen änderten nichts und schließlich starb Walter Salomon an einer eitrigen Hirnhautentzündung am 14. Januar 1956.

 

Der Sachverständige Dr. Luft, Privatdozent für gerichtliche Medizin, schilderte, dass der Verstorbene, den er behandelt hatte, zunächst normal reagiert habe, bis sein Zustand so schlecht wurde, dass er sich zur Operation entschloss. Er habe Gehirnschwellungen und Blutungen vermutet. Der Patient starb aber trotz sofortiger Maßnahmen. Bei der Obduktion des Leichnams wurde an den Prellungsherden eine Entzündung der Hirnhäute festgestellt. Der Gehirnspezialist Professor Krücke bestätigte nach gründlicher Untersuchung den Befund. Es wurde bei den Erklärungen der Mediziner deutlich, dass der Tod Salomons nicht unmittelbar auf die Schlageinwirkungen zurückzuführen gewesen sei.

 

Das Gutachten des von der Verteidigung Dr. Clemens sah in dem Angeklagten einen durch eine frühere Augenverletzung leicht in dessen Bewusstseinssteuerung zeitweilig Kurzschlusshandlungen ihm nichts Krankhaftes nachzuweisen gewesen.

 

Grönke selbst bestritt die Tat nicht und versuchte sich auch nicht, wie er sagte, aus der Affäre zu ziehen, gab jedoch in entscheidenden Punkten eine etwas unglaubwürdige Darstellung. So wollte er mit Salomon um den Besen gerungen haben, weil er sich bedrohte gefühlt habe. Die mehr als achtzehn Zeugen hatten diese Szene ganz anders in Erinnerung. Salomon befand sich gar nicht im Besitz des Besens. Grönke riss ihn der alten Frau Salomon aus den Händen. Auch nach dem „Korb“ wollte der Angeklagte in der Wirtschaft sich entschuldigen und sei angeblich von dem spottenden jungen Mann zuerst handgreiflich belästigt worden. Viele Aussagen der Zeugen deckten sich, vieles war auch recht widersprechend. Landgerichtsdirektor Keller meinte dazu, dass man nach fünf Vierteljahren die Zeugen nicht überfordern und ihnen keine genauen Schilderungen mehr zumuten könne.

 

Nach zehnstündiger Beweisaufnahme und den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen ergriff Staatsanwalt Arndt das Wort am ersten Verhandlungstag gegen acht Uhr abends. In seinem Plädoyer zeichnete er von Grönke das Bild eines angriffslustigen Schlägers und wies das Argument des Verteidigers, der Angeklagte habe in Notwehr gehandelt, als völlig haltlos zurück. Auch den Hinweis auf die schwere, leidgeprüfte Jugend des Angeklagten ließ er nicht gelten. Das Blut des Toten und das schwere Schicksal der Familie Salomon die Witwe muss für vier unmündige Kinder aufkommen, die alten Eheleute Salomon verloren ihren einzigen Sohn fordere gerechte Sühne. Grönke sei der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge einwandfrei überführt. Auch der Alkoholkonsum (1,2 bis 1,8 Promille etwa) habe ihn nur in einen angeheiterten Zustand versetzt, so dass Grönke für seine Tat voll verantwortlich gemacht werden müsse. Das Gutachten des Dr. Clemens sei für ihn nicht einleuchtend genug. Der Angeklagte habe den Tod fahrlässig verschuldet, den Schlag aber vorsätzlich ausgeführt. Staatsanwalt Arndt beantragte dreieinhalb Jahre Gefängnis.

 

Das Gericht fällte am Freitagvormittag nach mehr als zweistündiger Beratung ein Urteil, das dem Angeklagten weitgehend entgegenkam. Ein Jahr und neun Monate Gefängnis muss er trotzdem hinter Gitter. Straferschwerend war der unüberlegte Alkoholgenuss, den sich Grönke hingab, obwohl er wusste, dass er auf Grund seiner Verletzung nicht viel verträgt, und insbesondere das tragische Schicksal der Familie Salomon. -man-