Eine lokalpatriotische Spurensuche von Wilhelm Ott Dreieich, im September 2024
Warum beschäftigen wir uns hier in dem Kapitel "Sprendlingensia" mit Philipp Holzmann, dem Gründer des späteren weltweit tätigen Bauunternehmens? Weil in Wikipedia (aufgerufen am 8.9.2024) nachzulesen ist, dass dass das Bauunternehmen 1849 in Dreieichenhain gegründet wurde. Denn diese Aussage ist falsch!
In diesem Artikel befassen wir uns mit den Beziehungen von Philipp Holzmann zu Götzenhain, Dreieichenhain und insbesondere zu Sprendlingen. Dafür untersuchten wir die publizierte Literatur, schauten in den Familienbüchern von Sprendlingen und Dreieichenhain nach, recherchierten in eigenen Unterlagen und kamen zu dem Ergebnis, dass die Beziehungen des Firmengründers Philipp Holzmann zu Sprendlingen sehr viel stärker waren als die nach Dreieichenhain oder Götzenhain. Die Kreuzmühle stand damals zwar auf Götzenhainer Gemarkungsgebiet, wurde aber offensichtlich allgemein nach Sprendlingen verortet. Wir konnten zeigen, dass die Firma Holzmann 1849 in der Frankfurter Straße 9 in Sprendlingen gegründet wurde.
Bisherige Erkenntnisse
Es folgen die Informationen über die Familie Holzmann in Kurzfassung, die man in der Literatur (z.B. in einem Artikel von Karl Nahrgang) nachlesen kann. Die meisten dieser häufig kolportierten Details stammen aus einer Rede, die Philipp Holzmann (junior) im Jahr 1895 zu Ehren seiner Mutter Elisabeth an ihrem Geburtstag hielt und die in dem Buch von Manfred Pohl abgedruckt ist.
Die Wurzeln der Familie Holzmann lassen sich bis ins 17. Jahrhundert zurück verfolgen. Im Familienbuch Dreieichenhain werden sechs Generationen aufgeführt:
Zum Verständnis: Im Jahr 1850 gab es sechs Mühlen entlang des Hengstbachs: Gerhardsmühle (Götzenhain), Bergmühle (Dreieichenhain), Holzmühle (Dreieichenhain), Winkelsmühle (Dreieichenhain) Kreuzmühle (Götzenhain), Theisenmühle (Sprendlingen). Davon sind drei mit dem Namen Holzmann verbunden (Holz-, Berg- und Kreuzmühle).
Links die Dampfmühle (vorher Kreuzmühle) im Zustand um 1850. Die Dampfmaschine und der hohe Schornstein aus Eisen standen auf der nordöstlichen Seite des Wegs von Sprendlingen. Das alte Mühlengebäude ist auf der Google-Earth-Aufnahme rechts im gelben Kreis gut zu erkennen.
Philipp Holzmann und Sprendlingen
Allerdings: In einem Zeugnis der königlich-bayrischen Eisenbahn-Sektion, der Bauherrin der Spessart-Bahn, wird Philipp Holzmann aus Sprendlingen für die vorbildliche Durchführung der ihm aufgetragenen Bauaufträge gedankt. Das Zeugnis aus dem Jahr 1854 ist in Lit. Pohl, Manfred abgedruckt.
Kirchenbücher
Interessant ist ein Blick in die Sprendlinger Kirchenbücher. Philipp Holzmann wurde weder in Götzenhain noch in Dreieichenhain, sondern in Sprendlingen getauft. Dies belegt erneut die enge Verbindung der Kreuzmühle zu Sprendlingen. Die Abbildung zeigt einen Auszug aus dem Taufregister Sprendlingen 1738-1818, Archion, Bild 183.
Auch der Sterbeeintrag seines Vaters ist im Kirchenbuch Sprendlingen zu finden (Archion Sterberegister, Bild 443, 1817). Philipp Holzmann heiratete am 12. Mai 1833 Elisabethe Laux, die Tochter des Bergmüllers und Dreieichenhainer Bürgermeisters Jakob Laux. Die Hochzeit wurde dokumentiert im Sprendlinger Kirchenbuch (Archion, Trauregister, Bild 86). In der Heiratsurkunde wird der Name des Bräutigams mit "Philipp Holzmann" angegeben. Der "Johann" scheint ein nicht benutzter Zweitname gewesen zu sein.
Eigene Recherchen
In der zitierten Literatur wird ausgeführt, dass der Sprendlinger Bürgermeister Kiefer nach dem frühen Tod des Vaters von Philipp Holzmann 1817 zu dessen Vormund eingesetzt wurde. Weiterhin wird von Philipp Holzmann (junior) berichtet, dass die Familie Holzmann beim Umzug nach Sprendlingen in das Haus von "Onkel Herbert" eingezogen ist und dass dieser "Onkel Herbert" als Betriebsleiter in die Kreuzmühle zog. Was hat es mit Bürgermeister Kiefer und dem "Onkel Herbert" auf sich?
Der Vater von Catharina, der Mutter von Philipp Holzmann, war der wohlhabende Sprendlinger Wirt Georg Adam Löffler. Er stammte aus dem Gasthaus "Adler" und wurde auch "Adlerwirt" genannt. Katharina hatte einen Bruder und fünf Schwestern, darunter auch Gertraude. Sie war seit 1797 mit Johann Christian Kiefer, einem der Sprendlinger Bürgermeister verheiratet. Demzufolge war der Vormund von Philipp Holzmann der Schwager seiner Mutter.
Philipp Holzmann hatte sieben Geschwister, von denen einige sehr früh verstorben sind. Susanne, eine seiner Schwestern, heiratete den aus Groß-Zimmern stammenden Michael Herbert. Dieser war der von Philipp Holzmann (junior) genannte "Onkel Herbert". Michael Herbert war Lehrer zu Sprendlingen. Er war auch Trauzeuge bei der Hochzeit von Philipp und Elisabetha im Jahr 1833. Das Ehepaar Herbert wanderte 1854 mit zwei Kindern nach Amerika aus. Aus dem Sprendlinger Brandkatasterbuch geht hervor, dass Michael Herbert in der Frankfurter Straße 9 wohnte (Abb.). In dieses Haus zog die Familie Holzmann 1849. Dort wurde die Firma Philipp Holzmann gegründet. Der Neubau wurde 1952/53 errichtet. (Information und Abbildung: Archiv Lore Schwarz).
Interessant ist ein Ausschnitt einer Katasterkarte um 1850. Dort sind Meyer und Lindt als Besitzer des Kreuzmühlen-Geländes eingetragen. Es kann spekuliert werden, dass Philipp Holzmann 1849/50 die Kreuzmühle an seine Geschäftspartner verkaufte, seine Geschwister auszahlte und mit seinem Anteil in Sprendlingen sein Bauunternehmen ins Leben rief.
Es ist nicht überliefert, in welcher Schule Philipp Holzmann unterrichtet wurde. Aber nach allem, was bisher ausgeführt wurde, ist anzunehmen, dass er die Schule am Sprendlinger Lindenplatz besuchte. Die familiären Bindungen nach Sprendlingen waren sehr stark (sechs Tanten und Onkel). Außerdem war der Schulweg in die Fahrgasse 40 nach Dreieichenhain deutlich länger als zum Lindenplatz nach Sprendlingen. Die alte Schule am Lindenplatz wurde 1964 abgerissen; dort steht jetzt der Hooschebaa-Brunnen. Der kleine Philipp: Ein echter Hooscheba?
Familienforschung
Das Diagramm oben zeigt die direkten Vorfahren von Philipp Holzmann über 7 Generationen. Es ist eine Melange aus dem Familienbuch Sprendlingen (rechte Seite) und dem Familienbuch Dreieichenhain (linke Seite). Es ist offensichtlich, dass Philipp Holzmann mütterlicherseits aus Sprendlingen und väterlicherseits aus Dreieichenhain stammt. Die mütterlichen Linien werden bei der Darstellung von Verwandtschaftsverhältnissen oftmals unterbewertet, weil sie den Familiennamen nicht weitergeben können. So lassen sich die Vorfahren von Philipp Holzmann in Dreieichenhain über die weibliche Linie zwei Generationen weiter in die Vergangenheit zurückverfolgen als über die männliche Linie.
Viele Vorfahren von Philipp Holzmann lassen sich auf Sprendlinger Seite bis zum Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgen. Interessanterweise ist Philipp Holzmann ein direkter Nachkomme des bekannten Wendelin Kiefer, dem ersten Sprendlinger Bürgermeister nach dem Großen Krieg.
Zusammenfassung
Es kann festgestellt werden, dass die Vorfahren von Philipp Holzmann aus Dreieichenhain und Sprendlingen stammen. Er war formaler Bürger von Götzenhain und wurde (wahrscheinlich) in Sprendlingen sozialisiert. Er hatte sowohl in Sprendlingen als auch in Dreieichenhain eine umfangreiche Verwandtschaft. In der von Dreieichenhain kam (und kommt) der Name Holzmann häufig vor. Seine formalen Beziehung zu Dreieichenhain beschränkte sich auf die Tatsache, dass sein Großvater dort in Dreieichenhain geboren war und er eine Dreieichenhainerin heiratete. Dass die Kreuzmühle heute auf Dreieichenhainer Gemarkungsgebiet steht, ist für die Gründungsgeschichte der Firma Holzmann wenig relevant.
Es ist aber sicherlich nicht falsch zu behaupten, dass Philipp Holzmann aus dem heutigen Dreieich stammte und dass das Bauunternehmen Philipp Holzmann dort gegründet wurde.
Die Kreuzmühle / Dampfmühle
Die Mühle wurde erstmals 1428 als "Lenhartes Moln" erwähnt. Sie gehörte der Sprendlinger Familie Lenhardt. Sie wurde wahrscheinlich nach einem alten Sühnekreuz benannt, das in der Nähe stand. Um 1700 befand sich die Mühle im Besitz der Sprendlinger Familie Bratengeier, aus der das Bauunternehmen Jean Bratengeier gegründet wurde (ebenfalls insolvent). 1776 wurde die Mühle von Johann Holzmann erworben.
Der links abgebildete Plan (um 1858) zeigt interessante Einzelheiten. Zunächst einmal geht daraus hervor, dass die Mühle auf Götzenhainer Gemarkungsgebiet steht. Die dampfbetriebene Sägemühle ist auf der nordöstlichen Seite des Weges von Sprendlingen eingezeichnet. Interessant ist auch der schmale Mühlteich, dessen Wasser vom Ausfluss der Winkelsmühle gespeist wurde. Der Weg von der Hainer Chaussee endete auf dem Mühlengelände. Erst in den 1950er Jahren wurde die Ostpreußenstraße "gerade" and den "Weg von Sprendlingen" (Philipp-Holzmann-Straße/Kennedystraße) angeschlossen (Information D. Odenwald)
Bis 1937 stand die Kreuzmühle auf Götzenhainer Gemarkungsgebiet. In diesem Jahr wurde die selbstständige Gemarkung Philippseich aufgelöst und sollte unter den benachbarten Gemeinden aufgeteilt werden. Götzenhain erhielt fast die komplette Gemarkung Philippseich. Dafür musste sie den westlichen Zipfel der Gemarkung mit Kreuzmühle, mit dem späteren Millionenhügel und den Fischäckern an Dreieichenhain abtreten (rot markiertes Gebiet auf der Karte links).
Die Besitzverhältnisse der Kreuzmühle nach 1850 sind unklar. Gernot Schmidt schreibt in seiner "Dreieichenhainer Häuserliste", dass die Dampfmaschine bis 1860 in Betrieb war. Helmut Keim berichtet von Einträgen im Götzenhainer Gewerbebuch:
Ab 1849: Wilhelm Meier, Holzschneider auf der Dampfmühle
Bis 1864: Ludwig Grünewald, Holzschneider
Ab 1883: Heinrich Mathis Echternach, Mahlmüller zur Mehlproduktion
Ab 1892: zusätzlich Flaschenbierhandel
Weiter schreibt Gernot Schmidt: Es ist davon auszugehen, dass die Dampfmühle im Jahre 1908 von Johann Heinrich Dröll V. (Berufsbezeichnung u.a. "Dampfmüller") an den Lithographen und Verleger Karl Ferdinand Klimsch verkauft wurde. Eine Bestätigung hierfür gibt es bisher nicht. In der Offenbach-Post ist zu lesen: Nach 1908 kaufte der Frankfurter Kaufmann Karl Klimsch die Dampfmühle und legte nach dem Kauf weiterer Grundstücke einen Park mit Teichen, Tempeln, Badehäuschen, Tennisplätzen und einem Gewächshaus an.
Die oben rechts abgebildete Postkarte wurde an 4.11.1915 abgestempelt. Man erkennt auf beiden Postkarten das noch heute existierende Mühlengebäude. Es darf darauf hingewiesen werden, dass die "Villa Schauinsland" nicht Götzenhain und auch nicht Dreieichenhain zugeordnet ist, sondern Sprendlingen.
1936 erwarb der Frankfurter Kaufmann Jacques (Jakob) Adolph Odenwald das ganze Gelände. Nach dem 2. Weltkrieg gab es in der Mühle eine Gastwirtschaft. Ab 1954 wurde die landwirtschaftliche Fläche mit einem Villenviertel bebaut. Von der Mühle blieb nur das Mühlengebäude Philipp-Holzmann-Straße 2a übrig.
Literatur
Anmerkungen des Autors:
Im Dreieichenhainer Stadtarchiv befinden sich einige Dokumenten, die sich mit (Johann) Philipp Holzmann beschäftigen. Keines belegt nach (allerdings oberflächlicher)
Analyse eine enge Verbindung von "unserem" Philipp Holzmann zu Dreieichenhain. Der Name Johann Philipp Holzmann kommt in der Holzmann-Sippe mehrfach vor, was zu Verwirrungen führen kann (Abb.).
Es sei abschließend angemerkt, dass der Autor dieser Zeilen sich mit Philipp Holzmann die Gene von Georg August Löffler teilt. Dieser ist der Großvater mütterlicherseits von Philipp Holzmann und direkter Vorfahre des Autors in 8. Generation (Familienbuch Sprendlingen).