In Sprendlingen gibt es vier Friedhöfe: Den Kirchhof an der Erasmus-Alberus-Kirche, den Jüdischen Friedhof am Lacheweg, den Friedhof Sprendlingen am Lacheweg und den Waldfriedhof Buchenbusch im Sprendlinger Wald. Die beiden letztgenannten werden vom Friedhofszweckverband Neu-Isenburg / Dreieich betrieben. Der Jüdische Friedhof in Sprendlingen wird an anderer Stelle dieser Website beschrieben.
Der Waldfriedhof Buchenbusch liegt bis auf die Zufahrt auf Sprendlinger Gemarkungsgebiet. Wir als Sprendlinger Heimatverein wenden uns daher stets gegen den Ausdruck "Waldfriedhof Neu-Isenburg". So viel Lokalpatriotismus darf sein.
Der Kirchhof an der Erasmus-Alberus-Kirche: Ein Wehrfriedhof?
Wie in allen Dörfern wurden die Toten auf einem Platz nahe der Kirche beerdigt. So auch in Sprendlingen. Eine Sprendlinger Kirche wurde bereits 880 erwähnt. Es dürfte sich um eine einfache Holzkirche gehandelt haben, die irgendwann durch ein Gebäude aus Stein ersetzt wurde. Dieser Vorgängerbau der heutigen Kirche wurde 1716 in den Neubau teilintegriert. Mehr dazu in einem Artikel von Karl Nahrgang.
Das Bild links oben zeigt eine Abbildung aus dieser Publikation. Nahrgang postuliert einen Wehrfriedhof um diesen Vorgängerbau. Diese These scheint angesichts der hohen Mauern auf der Nord-, Ost- und Westseite recht plausibel. Ein Wehrfriedhof ist laut Wikipedia ein festungsartig ausgebauter Friedhof der von der ansässigen Bevölkerung im Notfall als Zufluchtsort genutzt wurde. In Sprendlingen war sicherlich ein Bedarf für ein solches Gelände vorhanden, da es über keinerlei Dorfbefestigungen verfügte. Ein solcher Wehrfriedhof bot gegen organisierte militärische Verbände keinen Schutz, eher gegen marodierende Banden. Aber: In Wikipedia schreibt der Autor: "Nicht jede höhere Kirchhofmauer ist eine Wehrmauer". Und H. Möller merkt ganz trocken an: "Frühere Annahmen, es handele sich wegen der topographisch erhöhten Lage und der Kirchhofummauerung um eine mittelalterliche Kirchenburg, lassen sich nicht belegen und sind zu verwerfen." (Möller, Hans: Vier Münzfunde aus dem Kreis Offenbach in Dreieich und Rodgau, Ein Beitrag zur Denkmal- und Münzfundpflege, S.11, in: Der Kreisausschuss des Kreis Offenbach, Amt für Kreisentwicklung und Denkmalschutz (Hrsg.) Studien und Forschungen, Bnd. 16 (Ohne Jahr) Seite 31.).
Nach intensiver Beschäftigung mit dem Kirchhof kommen wir zu dem gleichen Schluss. Einer befestigten Stätte auf diesem Areal fehlt es an einer Verteidigungsmöglichkeit nach Süden hin. Das Bodenniveau des Kirchhofs Richtung Süden entspricht der Höhe der Mariahallstraße. Eine hohe Schildmauer oder ein tiefer Graben auf der südlichen Friedhofseite sind nicht zu erkennen.
Wie kann man sich die Entwicklung vorstellen? Die Kirche, deren Schenkung an das Salvatorstift Ludwig III. der Jüngere in einem 880 ausgestellten Dokument bestätigte, dürfte auf einer erhöhten Landzunge südlich des zentralen Platzes des Ringdorfs Sprendlingen gestanden haben. Vermutlich handelte es sich um eine einfache Holzkirche, die irgendwann durch den steinernen Vorgängerbau der jetzigen Kirche ersetzt wurde. Das Gelände um diese Vorgängerkirchen war bis auf die Südseite stark abfallend, was für die Anlage eines Bestattungsplatzes wenig geeignet war. Daher baute man kräftige und hohe Stützmauern auf der West-, Nord- und Ostseite und füllte das Gelände auf, um einen relativ ebenen Grund für den Kirchhof zu erhalten.
Bei der Erweiterung der Kirche 1716 wurde die Nordseite des Neubaus (fast) parallel zur Kirchhofsmauer angelegt. Wie Möller auf S. 23 des oben zitierten Artikels schreibt, "ist auf dem Grundriss der Kirche in nördlicher Richtung eine trapezförmige Erweiterung zu erkennen. Dies dürfte durch die Ausrichtung der alten Außenwände bedingt sein." Interessant in diesem Zusammenhang sind die kleinen Absätze zwischen der Vorderfront der Erasmus-Alberus-Kirche und den beiden anstoßenden Kirchhofmauern. Dies harret noch der Ausmessung vor Ort.
Beim Betrachten der nördlichen Kirchenfront fällt auf, dass die linke Kirchhofsmauer niedriger als die rechte. Das kann damit erklärt werden, dass auf der rechten Seite die Mauerkrone ca. 75 cm über Innenbodenniveau liegt, während sie auf der linken Seite nur 25 cm darüber liegt. Es ist offensichtlich, dass auf der linken Seite der obere Teil der Mauer abgebrochen wurde. Ab dem Punkt A ist die Mauer im Zuge der Erstellung der Treppe zur Mariahallstraße neu hochgezogen worden. Der ehemaligen Verlauf der Kirchhofmauer auf der Ostseite ist nur noch in den Grundstücksgrenzen sichtbar. Es gab dort einen Grundstückstausch mit dem Nachbarn. Der Abbildung sind die Höhen der Kirchhofsmauer auf der Außen- und Innenseite an den verschiedenen Eckpunkten zu entnehmen. Am Punkt M sind das immerhin 3,40 m auf der Außenseite. Zwischen den Punkten M und O wurde die Mauer teilweise abgetragen bzw. mit Beton ergänzt.
Der in der Abbildung rot gekennzeichnete Teil des Gartens war der ursprüngliche Begräbnisplatz. Der Friedhof wurde 1727 und 1758 erweitert. Die letzte Bestattung fand 1848 oder 1850 dort statt. um 1960 wurde der südliche Teil des Grundstücks verkauft und mit den Häusern Mariahallstraße 3 und 5 bebaut. Bei den Ausschachtungsarbeiten wurden erwartungsgemäß die Gebeine vieler Verstorbener gesammelt und wieder bestattet. Viele Grabsteine wurden entsorgt, einige, die an der Kirchhofsmauer wurden gesichert. Auf Veranlassung der Freunde Sprendlingens konnten diese vor aufsteigender Feuchtigkeit geschützt wieder aufgestellt werden. HIER mehr zu diesen Grabsteinen.
2020 (?) wurde ein weiterer Teil des Kirchgarten bebaut (Haus Mariahallstraße 1). Obwohl nur Streifenfundamente genutzt wurden, kamen erneut viele Menschenknochen ans Tageslicht. Sie wurden von Pfarrer Gerlitz auf Anregung der Freunde Sprendlingens würdevoll unter Glockengeläute wieder bestattet. Heute umfasst der Kirchhof das gleiche Grundstück wie vor der ersten Erweiterung 1727.